Testungen auf Corona an Schulen | Remonstration und Gefährdungsanzeige

Die neue Test-Strategie des Landes Hessen vom 12.4.2021

Das hessische Corona-Kabinett hat am 12. April die „neue Test-Strategie“ für den Schulbetrieb nach den Osterferien beschlossen. Diese soll ab dem 19. April 2021 gelten.

Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte müssen entweder einen kostenfreien Bürgertest in Anspruch nehmen oder den von der Schule zur Verfügung gestellten Selbsttest nutzen und ein negatives Testergebnis vorweisen, um am Schulbetrieb teilnehmen zu dürfen. Das Testergebnis darf nicht älter als 72 Stunden alt sein. Die Selbsttests sind an der Schule durch die Schülerinnen und Schüler durchzuführen und nicht von den Lehrkräften.

Die Lehrkräfte können den Test auch außerhalb der Schule durchführen und müssen das negative Testergebnis gegenüber der Schulleitung mit einer  Bescheinigung oder in Form einer dienstlichen Erklärung  nachweisen.

Für die Lehrkräfte soll es nach der „Checkliste“ des Hessischen Kultusministeriums insbesondere die folgenden Aufgaben geben:

  • Umfassende Lüftung des Raumes
  • Sicherstellung des Vorliegens der Einwilligungs- und Datenschutzerklärung von den betreffenden Schülerinnen und Schülern.
  • Erläuterung des Testablaufs durch die Lehrkraft, ggf. schon vor den Testungen mit Videounterstützung.
  • Eintragung der Testergebnisse in die Testdokumentation.
  • Isolierung etwaig positiv getesteter Schülerinnen und Schüler von der Lerngruppe sowie Sicherstellung einer pädagogischen und sensiblen Begleitung.

Die Checkliste ist im Ministerschreiben vom 30.3.2021 zu finden sowie ein Ablaufdiagramm:

https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/umgang-mit-corona-an-schulen/fuer-schulleitungen/schreiben-schulleitungen/durchfuehrung-von-antigen-selbsttests-zum-nachweis-des-coronavirus-sars-cov-2-in-schulen

Im Ministerschreiben vom 12.4.2021 ist die Verpflichtung geregelt, ein Testergebnis vor der Teilnahme am Schulbetrieb nachweisen zu müssen:

https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/umgang-mit-corona-an-schulen/fuer-schulleitungen/schreiben-schulleitungen/schul-und-unterrichtsbetrieb-ab-dem-19-april-2021

Folgende Kritikpunkte sind hier anzumerken:

  • Erhöhte  Infektionsgefahr  für  Lehrkräfte und  Schüler:innen  während  der  Durchführung  der  Testungen  ohne  Maske  (bei Abstrich wird oft Niesen und Husten provoziert)
  • Psychisch belastende Situation für positiv getestete  Schüler:innen,  die  vom  Klassenverband abgesondert werden müssen
  • Der Datenschutz kann in Klassensituation bei positiven  Ergebnissen  nicht  eingehalten werden.
  • Präsenzunterrichtszeit wird durch Durchführung der Tests beschnitten.
  • Selbstständige  Durchführung  der  Tests  bei Grund- und  Förderschüler:innen  problematisch; vermutlich   begleitende   Anleitung ohne Mindestabstand notwendig
  • Für schulisches Personal ist keine Schutzausrüstung während Testbegleitung vorhanden, insbesondere für den Fall, dass in der Testphase eine persönliche Assistenz erforderlich wird.
  • Hoher Zusatzaufwand für Lehrkräfte (administrative Tätigkeiten, separate Betreuung positiver Schüler:innen)
  • Im Unterschied zu einer Selbsttestung zu Hause kommen  positive  Schüler:innen noch in die Schule.

Forderungen der GEW

  • Durchführung der Selbsttests der Schülerinnen und Schüler zu  Hause 
  • Impfangebote für alle Lehrkräfte im Präsenzunterricht

Rechtliche Einschätzung

Das Kultusministerium hat per Schreiben vom 30. März 2021 verlautbaren lassen, dass alle Lehrkräfte die Durchführung von Selbsttests der Schüler:innen „begleiten“ müssen.

Eine betroffene Lehrkraft kann aber für sich persönlich zu der Überzeugung kommen, dass diese Anweisung grundsätzlich nicht vom Weisungsrecht gedeckt ist und damit nicht zu den Dienstpflichten gehört. Befolgt sie die Weisung dann allerdings nicht, geht die Lehrkraft das Risiko arbeitsrechtlicher bzw. beamtenrechtlicher Sanktionen ein.

Wie sich in Folge allerdings Arbeitsgerichte, Verwaltungs-bzw. Disziplinargerichte hierzu positionieren, kann nicht vorausgesehen werden. Vor dem Hintergrund der bisher in Pandemiezeiten ergangenen Rechtsprechung ist allerdings zu befürchten, dass die Entscheidungen eher zugunsten der Dienststelle ausfallen werden. Deshalb schlagen wir folgende Handlungsalternativen vor:

Suchen Sie das Gespräch mit der Schulleitung und dem Personalrat, wie die Testung durchgeführt werden kann, so dass die genannten Risiken für alle Beteiligten möglichst gering bleiben. Sollten dabei keine befriedigenden Lösungen gefunden werden, können die Bedenken der Schulleitung gegenüber auch schriftlich geäußert und um Abhilfe gebeten werden in Form einer Gefährdungsanzeige (Überlastungsanzeige). Darin sollten die für die Lehrkraft und die Schüler:innen befürchteten Gesundheitsrisiken und die möglichen Risiken in Bezug auf die Gefährdung der vollumfänglichen Aufsichtspflicht erwähnt werden. Da die Schulleitung verantwortlich ist für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Kolleg:innen, muss sie das Schulamt einschalten, falls sie die Gefährdung nicht abstellen kann.

Nur die Beamt:innen können alternativ auch von ihrem Recht und ihrer Pflicht zur Remonstration gemäß §§ 35,36 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) Gebrauch machen. Beamt:innen sind generell verpflichtet, Dienstanweisungen auszuführen. Mit einer Remonstration machen sie jedoch darauf aufmerksam, dass sie dies nur unter Protest und mit größten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Dienstanweisung tun. Der Dienstherr ist dann verpflichtet, unverzüglich auf die Remonstration zu antworten. Die rechtlichen Bedenken müssen zunächst schriftlich gegenüber der Schulleitung erklärt werden. Sollte diese die Anordnung nicht aufheben (können), so muss das Schulamt die endgültige Entscheidung treffen, ob die Anordnung aufrechterhalten wird. Normalerweise hat die Remonstration insoweit einen gewissen aufschiebenden Charakter. Aber wegen der Pflicht zur „Begleitung“ der Schüler:innen muss beachtet werden, dass gem. § 36 Abs. 3 BeamtStG bei Gefahr im Verzug die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt werden kann. Wegen der damit möglichen disziplinarischen Konsequenzen kann daher nicht geraten werden, die Ausführung zu verweigern. Das Mittel der Remonstration hat aber für die Beamt:innen auf jeden Fall den Vorteil, dass sie, falls auch das Schulamt als zweite Ebene die Dienstanweisung bestätigt, diese zwar ausführen müssen aber von der eigenen Verantwortung befreit sind.

Als Handlungsmöglichkeiten stehen derzeit neben gemeinsamen und individuellen Protesterklärungen die Remonstration (für Beamtinnen und Beamte) beziehungsweise die Gefährdungsanzeige (für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern) zur Verfügung. Die Muster sind diesem Info als Anlage beigefügt. Sie dienen ausdrücklich als Rahmen für eine persönliche Begründung, die die individuellen und schulischen Rahmenbedingungen in den Mittelpunkt stellt.

Beispiel für Remonstration

Beispiel für Gefährdungsanzeige

Quelle: GEW-Hessen, Landesrechtsstelle (URL)
Stand: 13.04.2021